Samstag, 26. Januar 2013

Tag 6,7 "Gheralta, Abuna Yamata"

Freitag. Heute schlafe ich mal so richtig aus, das konnte ich ja seit Tagen nicht.

Vormittags im ETT-Büro treffe ich Bisrat, dem ETT gehört. Er kommt eigentlich aus Bahir Dar und besucht heute zum ersten Mal Mekele und sein dortiges Office. Sein Markenzeichen ist sein iPad, ohne das er keinen Schritt tut. 
Bisrat mit iPad (I)
Er spricht mich an, ob ich nach Gheralta mitkommen möchte. (Das ist ein Bergmassiv, in das vor vielen hundert Jahren sehr viele Kirchen in die Felsen hineingehauen wurden, "rock-hewn churches", die man erwandern kann.)
Ich frage zurück, was es mich denn kostet, und er sagt, ich soll mich bloß an den Spritkosten beteiligen. Na gut, warum nicht. Es stellt sich heraus, dass er wohl mit 2 Irinnen verabredet ist und für sie eine Tour zu einer der Kirchen organisiert. Diese Kirchen allein zu besuchen, ist nämlich mal wieder so eine Sache - sie sind recht abgelegen, und der Transport dort in die Nähe wird für eine Einzelperson dann schnell teuer.
Bisrat scheint aber kein großes Organisationstalent zu sein. Es dauert ewig, bis wir endlich loskommen, wieder mit Merit als Fahrer, der uns ja auch schon zum Vulkan gebracht hat. Die Fahrt führt z.T. über sehr schlechte Straßen und durch Baustellen und zieht sich hin.
Erst bei Dunkelheit erreichen wir Hawzien. Bisrat bleibt in der Gheralta Lodge, wo auch die beiden Irinnen untergebracht sind (ein Einzelzimmer kostet dort stolze 600 ETB). Merit und ich nehmen je ein Zimmer im einfachen Tourist Hotel im Dorf (knapp 180 ETB).
Von dort aus laufe ich am nächsten Morgen zur Gheralta Lodge, während Merit nach Mekele zurückfährt.

Die Lodge gehört einem italienischen Paar und ist sehr edel und geschmackvoll gestaltet. (Umso unfassbarer, dass mir dort mein Macchiato mit Kaffeeweißer statt Milch serviert wird!)
das Gheralta-Massiv

Die beiden Irinnen sind Eva B. und Eva C., eine Fotografin und eine Journalistin, die über irische Hilfsprojekte in Äthiopien berichten. Auch sie wurden von Bisrat zu dieser Tour eingeladen und sollen bloß Sprit zahlen. Bisrat hat einen alten Minibus organisiert, der uns näher an die Felsen heranbringt.
Da geht es gleich hoch
Wir drei Mädels wissen, es geht den Berg hinauf (kennen aber noch nicht das genaue Ziel), und sind ausstaffiert mit Wanderschuhen, Rucksäcken, Kopfbedeckung.
Bisrat hingegen sieht so aus:
Bisrat mit iPad (II)

Bisrat mit iPad (III)
Wir fragen ihn belustigt, ob er tatsächlich in dieser Aufmachung hiken will: Lederslipper, Jeans, dicker schwarzer Wollpulli, iPad unterm Arm, Wohlstandsbäuchlein. Ja, meint er, warum denn nicht. Später denken wir, dass er wohl noch nie in seinem Leben wandern gegangen ist. Immerhin überzeugen wir ihn von der Notwendigkeit, unterwegs noch ein paar Flaschen Wasser zu besorgen.

Unten sitzt ein Männergrüppchen im Schatten, und wir müssen 150 ETB Eintritt zahlen. Um den Guide hat Bisrat sich gekümmert; außerdem taucht der zuständige Priester auf, um uns zu begleiten, die Kirche aufzuschließen und hinterher auf ein saftiges Trinkgeld zu drängen. Wer die anderen ganzen Leute sind, weiß ich selbst nicht. (Oft hat man leider auf solchen Touren ungebetene "Helfer", die hinterher die Hand aufhalten.)


Eva B, Eva C und ich haben aber Spaß am Aufstieg. Ein großes Stück ist schon geschafft.
Bisrat ist irgendwo weit hinter uns verschollen - wir erfahren später, dass er auf der Hälfte der Strecke aufgegeben hat und auf unsere Rückkehr wartet :)

Wir jedoch stellen uns den Herausforderungen der fast senkrechten Felswand.

Da ich ein bisschen Erfahrung mit Indoor-Klettern habe, finde ich diese Felswand spannend, aber nicht besorgniserregend. Dennoch staune ich, wie der alte Priester wieselflink hoch und runter spurtet.

stolz oben angelangt

Oben auf dem Felsen erwarten uns alte Höhlen, die für Gräber und rituelle Zwecke genutzt wurden/werden.
menschliche Gebeine, für Touristen drapiert
Die Kirche selbst wurde vor hunderten Jahren auch in den Fels hineingehauen und ist bekannt für ihre alten, gut erhaltenen Wand- und Deckenmalereien.
Da ich diesen Ausflug nicht geplant hatte, erfahre ich erst hinterher, dass es sich bei dieser Kirche um die "berühmte" Abuna Yemata Guh handelt.

Wir Mädels möchten dem Priester ein Trinkgeld von je 10 ETB, also 30 birr geben, aber als ich ihm das in die Hand drücken will, zischelt er fordernd: "hundred birr". Pffft, sprachlos und empört stecke ich das Geld wieder ein und wende mich ab.
Seltsamerweise verabschiedet der Priester uns nach dem Abstieg mit einem Lächeln, über das wir uns doch etwas wundern, bis wir hören, dass er tatsächlich den kompletten Weg runter zu Bisrat gespurtet ist (und dann wieder hoch), um sich von Bisrat das geforderte Trinkgeld auszahlen zu lassen.
greedy priest
Nach diesem Halbtagsausflug geht es nach Mekele zurück.
Ich überlege lange, ob ich nun wirklich ein drittes Mal nach Mekele fahren will oder ob ich nicht lieber Richtung Nordwesten weiterziehe. Aus Bequemlichkeit entscheide ich mich für ersteres.
Und wieder nehme ich ein Zimmer im Atse Yohannis.